Tote Mädchen lügen nicht: Die Darstellung von seelischen Krisen auf Netflix

Tote Mädchen lügen nicht: Die Darstellung von seelischen Krisen auf Netflix

Luzie Trostmann ist Schülerin und hat im Rahmen eines Praktikums im Projekt SOUL LALA mitgearbeitet. Dabei hat sie sich aktuelle Filmen und Serien bei Netflix angeschaut, die sich – zum Teil sehr kontrovers – mit der Seele beschäftigen. Was ihr dabei positiv wie negativ aufgefallen ist, das könnt ihr in drei Teilen in Luzies Kolumne lesen. Los geht es, nach einer kurzen Einleitung, mit der viel diskutierten Serie „Tote Mädchen lügen nicht“. In der Öffentlichkeit wurde die Serie aufgrund des thematisierten Inhalte – Mobbing und Suizid – teils heftig kritisiert. Die Bundespsychotherapeutenkammer warnte Eltern sogar davor, Jugendliche mit der Serie nicht alleine zu lassen.


Als Jugendliche haben wir es nicht leicht. Wir müssen viele Herausforderungen und neue Aufgaben bewältigen. Zum einem soll man selbständig werden und einen eigenen Freundeskreis aufbauen, zum anderen wird von einem erwartet, dass man Grenzen akzeptiert, Verantwortung übernimmt und sich realistische Gedanken über seine Zukunft macht. Und natürlich spielen auch die Hormone verrückt. Kein Wunder, dass viele Jugendliche sich davon überfordert fühlen.

Bei fast 20% der Jugendlichen geht die seelische Belastung über das normale Maß hinaus und sie zeigen Auffälligkeiten, die Ärzte als psychische Erkrankungen diagnostizieren. In der Gesellschaft wird allerdings wenig aufgeklärt. So gibt es auch in den meisten Schulen oft nur selten, manchmal nie Gespräche darüber. An der großen Beliebtheit der Serien und Filme die dieses Thema ansprechen, kann man jedoch sehen, dass sich Jugendliche doch ziemlich dafür interessieren. So hat auch der Streaming-Dienst Netflix in den vergangenen Jahren eigene Filme und Serien präsentiert, in denen psychische Störungen bei Jugendlichen eine wesentliche Rolle spielen.

Tote Mädchen lügen nicht

Die US-amerikanische Fernsehserie „Tote Mädchen lügen nicht“ (original: „13 Reasons Why“) handelt von einem Teenager in einer seelischen Krise: Die 17-jährige Schülerin Hannah Baker (Katherine Langford) begeht Suizid und hinterlässt 13 Kassetten, auf denen sie den Hinterbliebenen die Gründe für Ihren Selbstmord erklärt.

Obwohl Hannah offensichtlich an Depressionen litt und psychische Störungen im Zusammenhang mit Suizid in der Regel eine große Rolle spielen, wird während den ganzen 13 Folgen der Serie kein einziges Mal das Thema Depressionen oder psychische Erkrankungen konkret angesprochen. Der Film legt den Fokus auf die Gemeinheiten ihrer Mitschüler und stellt diese als nahezu einzigen Grund für ihren Suizid dar. Damit wird den Zuschauern nicht deutlich, dass in denen meisten Fällen dem Suizid eine unbehandelte Depression oder eine andere psychische Erkrankung zugrunde liegt.

Depressionen zeigen sich bei Jugendlichen durch Gefühle von Hoffnungs- und Wertlosigkeit, Schuldgefühlen sowie ein mangelndes Selbstwertgefühl. Zudem kann auch öfters eine ausgeprägte und dauerhafte Gereiztheit, die als Anzeichen für die Pubertät fehlinterpretiert wird, auftreten. Depressionen können auch zu Verschlechterung der Noten und dem Nachlassen der sozialen Kontakte führen. Weitere Symptome einer Depression können auch Interessensverlust, Schlaf- und Appetitsstörungen und eben auch Selbstverletzung und Suizidgedanken sein. Viele von diesen Symptomen kann man im Laufe der Serie bei Hannah bemerken.

Während die Serie zwar wenig über Depressionen oder seelische Störungen aufklärt, ist es ihr trotzdem gelungen, dass nicht nur Jugendliche untereinander, sondern Eltern und auch Schulen mehr über das Thema Suizid sprechen und diskutieren. Dadurch haben wahrscheinlich sogar einige Jugendliche den Mut fassen können, sich mit ihren eigenen Problemen mit Mobbing oder Suizidgedanken an die Eltern oder Vertrauenslehrer zu wenden. Außerdem wird davon erzählt, wie schwer das Leben als Jugendlicher sein kann und das besonders für Schüler die an Mobbing leiden. Zusätzlich wird darauf aufmerksam gemacht, wie die Worte, über die man gar nicht großartig nachdenkt, schnell Menschen zutiefst verletzten können.

An anderen Stellen müssen sich die Macher der Serie jedoch wieder Kritik gefallen lassen: Die Szene, in der Hannah Hilfe bei ihrem Vertrauenslehrer sucht, kann eher negative Einflüsse haben. Denn anstatt Hilfe zu bekommen, verdreht der Vertrauenslehrer ihr die Worte im Mund und scheint nicht zu wissen wie er mit der Situation umgehen soll. So können Jugendliche den Eindruck bekommen, dass es keinen Sinn macht, sich jemandem anzuvertrauen, da ohnehin keine Hilfe zu erwarten ist. Aber vor allem die Aussage, dass Selbstmord keine Lösung ist und jemand, der darüber nachdenkt, sich unbedingt professionelle therapeutische und ärztliche Hilfe suchen sollte, geht in der Serie zu sehr unter.

Zudem gibt es verstörende Szenen, durch die Personen mit psychischen Störungen „getriggert“ werden können, also selbst auf Selbstmordgedanken kommen können. Um dies zu verhindern, hätte man die Warnhinweise deutlicher gestalten können, da es sonst schnell passieren kann, dass man sie für unwichtig hält und darüber hinwegliest. Wenn man den Hinweisen folgt, gelangt man zu einem Link für Hilfesuchende. Die Serienmacher scheinen sich der Brisanz des Themas also duruchaus bewusst zu sein und haben sogar eine eigene Videoreihe zur Aufklärung über Mobbing ins Netz gestellt.

Ein wichtiger Hinweis: Solltest du selbst das Gefühl haben, dass du Hilfe benötigst, kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Hilfe von Beratern, die dir Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Weitere Kontaktstellen haben wir hier gesammelt.

Im nächsten Teil geht es weiter mit dem Netflix-Film „To the Bone“.