Gibt es ein Menschenrecht auf Verrücktsein?

Gibt es ein Menschenrecht auf Verrücktsein?

Zugegeben, die Überschrift klingt reißerisch. Ist sie aber eigentlich gar nicht. „Verrückt“, das bedeutet im eigentlichen Wortsinn „verschoben“, „an einem anderen Platz“. Wer verrückt ist, steht also an einem anderen Ort, sieht und empfindet die Dinge anders, hat andere Perspektiven als andere. Kurz gesagt: Wer verrückt ist, ist einfach etwas anders als die angeblichen „Normalos“.

Und hier kommt nun die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (BRK) ins Spiel, die sagt: Es ist völlig in Ordnung, dass du anders bist. Aber was ist diese BRK genau? Sie ist ein Gesetzestext, in dem sich die Regierungen der Welt darauf verständigt haben, dass die universellen Menschenrechte auch und besonders für Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen gelten. Staatschefs und Chefinnen haben diesen Vertrag im Jahr 2009 unterschrieben und müssen nun zuhause in ihren Ländern dafür sorgen, dass die BRK umgesetzt wird. Viele von euch stören sich bestimmt an dem Begriff „behindert“. Dies ist sicherlich nichts, was man sich gerne zu Eigen macht. Wer sagt schon gerne über sich, er wäre behindert? Ein schwieriges Thema, über das wir an anderer Stelle etwas ausführlicher reden werden.

Was die BRK grundlegend verändert, ist das Verständnis von Behinderung. Behinderung wird nicht mehr – wie früher – als die Unvollständigkeit im Vergleich zum „normalen Menschen“ verstanden, sondern eine Behinderung entsteht als das Ergebnis einer Wechselwirkung: Zwischen den Beeinträchtigungen eines Menschen einerseits und den gesellschaftlichen Barrieren andererseits. Man kann also sagen: „Behindert ist man nicht, behindert wird man.“

Dadurch, dass nun die gesellschaftlichen Hürden in den Blick genommen werden, entstehen auf Seiten der betroffenen Menschen mit Behinderung Ansprüche, dass Barrieren abgebaut werden. Rollstuhlfahrer haben Anspruch auf Rampen statt Treppen im öffentlichen Raum, Blinde haben Anspruch auf eine Sprachausgabe am Bankautomaten. Die Kernfrage ist: „Wo behindert mich die Gesellschaft und was muss sich verändern?“ Diese Fragen für Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen zu beantworten wird in den kommenden Jahren eines der Themen sein, auf das wir mit euch bei SOUL LALA eingehen wollen.

Ganz grundsätzlich sagt die BRK außerdem, dass jeder Mensch – egal ob mit vielen, wenig oder ohne Einschränkungen – das Recht hat, gleichberechtigt in unserer Gesellschaft zu leben, zu wohnen, zu lernen, zu arbeiten und dabei nicht aufgrund einer Behinderung ausgegrenzt und diskriminiert werden darf. Er oder sie sollen gleichberechtigt an unserer Gesellschaft teilhaben dürfen. Dies ist es, was wir unter „Inklusion“ verstehen. Der Leitspruch der Inklusion lautet: „Es ist normal, verschieden zu sein“. Und hier schließt sich der Kreis zur Überschrift: auch wenn es euch nicht gut geht, euch der Alltag überfordert und euch die Leute komisch angucken – in einer inklusiven, bunten und lebenswerten Gesellschaft ist es erstmal in Ordnung, dass ihr anders seid. Ihr habt nicht weniger als ein Menschenrecht und damit viele Mitstreitende auf eurer Seite, die dafür einstehen, dass euer „Anders-Sein“, euer „Verrückt-Sein“ respektiert wird und die anderen eure Perspektiven, Wünsche und Forderungen ernst nehmen. Und ihr habt ein Recht darauf, die Unterstützung zu bekommen, die euch hilft und die ihr wollt – ohne Zwang und Bevormundung.

Grundlegende Informationen findet ihr auch in unserer Broschüre Meine Rechte aus der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2015. [Link]