24 Feb Die eigenen Kräfte kanalisieren – ein Bewohner berichtet I Pädagogisches Boxen in München
„Am Ende möchte ich bei euch allen eine wunderschöne, flüssige Kombo sehen“ – Mit diesen Worten und einem Lächeln auf den Lippen, wurden wir nach dem ersten, anstrengenden Aufwärmtraining nicht nur körperlich auf das vorbereitet, was uns die nächste Zeit erwarten würde.
„Pädagogisches Boxen“, so lautete das Angebot von unserem Trainer *Stefan auf das wir, eine Gruppe bestehend aus 5 psychisch erkrankten jungen Erwachsenen und einer Betreuerin, uns eingelassen hatten.
Inwiefern Pädagogik mit vermeintlich roher Gewaltausübung im Zusammenhang steht?
Durch die körperliche Aktivität, das Wahrnehmen des Körpers, das Kanalisieren der eigenen Kräfte und das gesunde Übertragen und verarbeiten von Emotionen, lassen sich Gefühlszustände oder Anspannung auf eine angemessene, förderliche und verantwortungsvolle Art und Weise verarbeiten.
Die Räumlichkeiten stellte uns der Jugendtreff „Gleis 24“ zur Verfügung – ein im ersten Augenblick ungewöhnlich erscheinender Name, hinter dem sich eine charmante und einladende Freizeitstätte, sowie ein Cafe verbirgt.
Ein Trainer, ein passender Raum und genügend Boxhandschuhe – sobald sich die Frage, ob noch etwas fehlen würde, erübrigte, war alles in die Wege geleitet, um ein Einstiegsdatum zu finden und dem ersten Training entgegen zu fiebern.
Mit einem kurzen Handschlag mit der Faust begrüßte uns Stefan, und erkundigte sich, nachdem er sich selbst vorgestellt hatte, nach unseren Namen. Scheinbar das Maximum an Förmlichkeiten, bei solch einer Art Aufeinandertreffen, denn ohne weitere Zeit zu verlieren, starteten wir augenblicklich mit dem Training.
Während wir unter der Anstrengung des Aufwärmtrainings an die Grenzen unserer Lungenkapazitäten stießen, bot sich gelegentlich ein Augenblick, um das Grinsen unseres Fotografen wahrzunehmen, welcher nicht wenig erheitert erschien über die Tatsache, dass unser Atmen zu diesem Zeitpunkt bereits fast lauter war, als die Musik, die im Hintergrund lief.
Nach unserer kollektiven Bitte, er solle sich beim Betätigen des Auslösers keinen Muskelkater holen, neigte sich unser Training auch bereits dem wesentlichen Teil zu:
Körperhaltung, Deckung, Bewegungsabläufe. Die drei essentiellen Komponenten, auf welchen unser Training von nun an aufbaute. Links-Rechts-Ausweichen-Links-rechter Haken! Ein Beispiel einer Kombinationen, die sich nach kurzer Zeit nicht nur im Training, sondern auch in unseren Köpfen gefestigt hatte.
Von Stunde zu Stunde brachte uns Stefan bei, wie die technisch korrekte Ausführung eines Schlags aussehen sollte oder die richtige Postionierung der Beine, ohne jemals selbst ein Anzeichen von Erschöpfung preiszugeben.
Eine flüssige Kombination, angemessene Haltung und saubere Bewegungen – somit erfüllten wir zum Ende hin nicht nur Stefans Wünsche, sondern auch unsere eigenen und konnten das pädagogische Boxen mit neu gewonnenen Erfahrungen und einem guten Gefühl abschließen.
*Name wurde von der Redaktion geändert