14 Okt Die eigenen Grenzen kennen und respektieren lernen
„Welche Skills helfen dir besonders gut? Was ist dysfunktionales Verhalten? Wie haben dir die Skills geholfen?“ Janin aus Berlin erzählt uns von ihren Skills und gibt einen persönlichen Einblick in den Umgang mit ihrer psychischen Erkrankung. Für unseren Themenschwerpunkt waren Janin und Anja im Tiergarten spazieren.
A: Wo hast du deine Skills gelernt?
J: Die Skills habe ich 2016 im DBT Programm in der Klinik am Urban erlernt.
A: Was ist DBT?
DBT ist eine Dialektisch-bihaviorale Therapie, ein verhaltenstherapeutischer Ansatz von Marsha M. Linehan. Sie hat diese Therapie erfunden und damit wird vielen mit einer psychischen Erkrankungen (vor allem Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörrung oder emotional instabilen Persönlichkeitsstörrung) geholfen. Man lernt innerhalb einer DBT-Gruppe mit diesen Erkrankungen umzugehen.
A: Warst du dort stationär oder ambulant?
Ich habe das Programm stationär gemacht. Die Therapie lief 10 Wochen. Der Tagesablauf in der DBT Gruppe beginnt mit einem Morgenkreis. Hier sollte jede/r sein Spannungslevel angeben und sein persönliches Tagesziel, abwechselnd leitete jede/r eine Achtsamkeitsübung für die anderen an. Danach ging es in die Therapien, wie Skills-Gruppe, Einzel-Therapie, Ergo-Therapie, Kunst-Therapie, Musik-Therapie und so weiter. Zu Beginn ging es darum, herauszufinden, wie ich die Skills anwenden kann und welche bei mir gut funktionieren. Zusätzlich zur Skills-Gruppe besprach ich in meinen Einzeltherapiestunden die Spannungszustände und ihre Ursachen. Ich musste erst einmal lernen, meine Bedürfnisse zu äußern. Auch das Nein-Sagen musste ich lernen. Mit verschiedenen Übungen konnte ich das dann verinnerlichen. Am Ende des Tages traf sich die Gruppe wieder und jeder konnte sein Tagesziel überprüfen, um herauszufinden wie gut sein Skill des Tages funktioniert hatte. Das hatte zum Ziel, gemeinsam den Tag zu reflektieren, ähnlich wie ein Tagebuch.
A: Schön. Und jetzt sagt du immer nur „Nein“?
Nein! [lacht] DBT hat mir richtig gut geholfen und erst später konnte ich meine Bedürfnisse äußern und lernen, meine Grenzen nicht zu überschreiten.
A: Ist die Hochspannung ein Symptom vom Überschreiten der eigenen Grenzen?
Das ist sehr individuell. Für mich kann ich sagen, dass ich früher in Hochspannung geraten bin, wenn die U-Bahn voll war, bei Konflikten oder Situationen die mich überforderten. Das hat mich sehr aufgehalten und hat mich an meine Grenzen gebracht. Eine Freundin von mir ist bei ganz anderen Dingen angespannt als ich. Je nachdem wie stark die Erkrankung ist, bekommen es manche schnell in den Griff und andere handeln weiterhin grenzgängerisch und dysfunktional.
A: Was ist grenzgängerisches oder dysfunktionales Verhalten?
Bei mir war das damals das Selbstverletzten. Bevor ich ins Krankenhaus kam, war ich mit allem überfordert, konnte vieles nicht mehr kontrollieren und nicht mehr ausführen. Dysfunktionales Verhalten ist ein Verhalten, bei dem ich über meine Grenzen gehe. Eigentlich nicht zu wollen und dann doch zu wollen, oder sich beeinflusst fühlen von anderen. Zum Beispiel in Freundschaften zu allem „Ja“ zu sagen, aus Angst die Freundschaft zu verlieren oder abgelehnt zu werden.
Beim DPT-Programm lernt man, selbst etwas zu ändern. Es kommt immer drauf an, wie tief die Erkrankung sitzt und wie stark sie ausgeprägt ist. Wichtig ist, selbst dran zu bleiben und das Erlernte in den Alltag mitzunehmen, um es auch dort anzuwenden.
A: Lernen alle dieselben Skills?
Jeder hat unterschiedliche Skills. Meistens spricht man von drei oder mehr Skills, die jede*r immer dabei haben sollte. Diese Skills sollen aber von Zeit zu Zeit wieder ausgetauscht werden damit die Wirkung erhalten bleibt. Manche riechen an Ammoniak wenn sie in der Hochspannung sind, andere arbeiten mit dem Akkupunktur-Ball oder einem Fitnessband, an dem gezogen werden kann. Jeder hat also individuell für sich ein passendes Skill gefunden, welches bei ihm gut funktioniert und ihn aus der Spannung bringt.
A: Wie oft übst du deine Skills?
Ich habe gerade am Anfang sehr oft geübt, praktisch in jeder freien Minute.
A: Wie lange hat es gebraucht, bis du nicht mehr in die extremen Hochspannungen gekommen bist?
Es hat insgesamt schon länger gebraucht als die DBT-Gruppe an sich. Nach den 10 Wochen war ich wieder auf mich gestellt. Als ich nach der Klinik ins betreute Einzelwohnen gezogen bin, haben mir diese Skills sehr viel geholfen. Meine Betreuerin konnte ich dann individuell arbeiten.
A: Vielen Dank liebe Janin für deine Offenheit und den persönlichen Einblick. Ich wünsche dir viel Kraft auf deinem weiteren Weg.
Fotografien: Anja Plonka