Community Content #1 – “Diese eine Scheiß-Sache” von Leonie R. 

Community Content #1 – “Diese eine Scheiß-Sache” von Leonie R. 

Vor einer Weile haben wir euch nach euren Beiträgen zum Thema “Seelische Gesundheit” gefragt – und ihr habt uns zahlreiche und ganz bunt gemischte Texte geschickt: Erlebnisberichte, Essays, fachliche Artikel, Gedichte. Dafür zunächst einmal ein ganz großes Dankeschön an alle, die mitgemacht haben! 

Wir haben eine erste Auswahl an Beiträgen getroffen, die nun auf unserer Website als “Community Content” erscheinen. An dieser Stelle nochmal der Hinweis: Ihr könnt nach wie vor eure Texte einreichen – die Frist haben wir bis 31.05. verlängert. Die Autor*innen der bei veröffentlichten Texte werden zudem mit einem Gutschein über 100,- Euro prämiert. Weitere Infos findet ihr hier. 

Los geht es heute mit dem Text “Diese eine Scheiß-Sache” von Leonie R. 

Leonie ist 24 Jahre alt und studiert Medizin. Ihr findet sie bei Instagram unter @l.e.o.n.i.e_r

Uns hat der Text beeindruckt, weil er uns etwas besser verstehen lässt, welche Gefühle hinter selbstverletzendem Verhalten stehen und welche Gedanken sich bei betroffenen Personen abspielen. Danke, liebe Leonie, für diesen eindringlichen Beitrag. Wir wünschen dir alles Gute auf deinem Genesungsweg! 

Aufgrund des Themas, das der vorliegende Text behandelt, wollen wir aber noch folgendes voranschicken: 

TRIGGERWARNUNG 

Der folgende Text setzt sich subjektiv mit dem Thema “selbstverletzendes Verhalten” auseinander. Er kann damit bestimmte Menschen „triggern“, also schwierige Gefühle, Erinnerungen, Flashbacks oder andere negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall ist!

Wichtig: Wenn ihr düstere Gedanken habt und euch schlecht fühlt, dann ist es gut, sich hilfe zu holen. Entweder bei Familie und Freunden, oder bei den folgenden Anlaufstellen, die wir euch hier zusammengestellt haben. 

 


Diese eine Scheiß-Sache… 

von Leonie R.

 

HATE 

HELP 

HIDE    –   5 words, 1 fucking thing 

HOPE 

HURT 

 

HATE  

Hass – komisches Wort…  

Man kann Dinge hassen. Die Schule zum Beispiel. Da gibt es vieles, das man hassen kann… Schlechte Noten, miese Lehrer, komische Zahlen und Fakten, die einfach keinen Sinn machen… Zum Hassen! 

Man kann Menschen hassen: 

Menschen, die einen verletzen, die auf einem rumhacken, auch wenn man schon vor Schmerzen gekrümmt auf dem Boden liegt! 

Oder Menschen, die anderen zur Last werden und du dadurch die hasst, die eigentlich nur das Lasttier sind…  

Und man kann sich selber hassen…  

Die Dinge die man anstellt, die Sachen die man tut, Gedanken, die man denkt oder Erfahrungen, die man macht, obwohl man sie besser nicht gemacht hätte… Die Ausstrahlung auf andere, das leider nicht vorhandene Selbstbewusstsein. Es gibt so viele Ecken und Kanten, die man an sich hassen kann… Und es gibt so viele verdammte Wege, dass zu akzeptieren oder ignorieren. Aber leider auch den einen scheiß Weg, wenn du dass eben einfach nicht akzeptieren oder ignorieren kannst, einfach nicht in der Lage dazu bist… Und dann eben anders mit dem Hass fertig werden musst und nur diese eine Scheiß-Sache dir das ermöglicht! 

HATE 

 

HELP 

Hilfe – ein Wort das Eindruck macht, das Schweigen schafft! 

Man kann es herausbrüllen. Dann kommt bestimmt einer, der hilft, der sich um dich kümmert bei dem, was auch immer dich zu diesem “HILFE” veranlasst… Tja und was ist, wenn man eben nicht den Mut hat, sich mal so eben hinzustellen und “HILFE” zu brüllen? Dann, ja was dann? Dann bleiben nur stumme Hilfeschreie, die wohl niemand hier hört…  

Doch vielleicht, wenn man Glück hat! Ein oder zwei mit Super-Gehör oder siebtem Sinn, die eben diese stummen Hilfeschreie auch noch vernehmen… Aber dann? Dann muss man erst mal lernen, diese Hilfe auch anzunehmen! Klar machen sich die anderen dann Sorgen, wenn du erst um Hilfe brüllst und dich dann doch verkriechst, weil du einfach nicht weißt, wie du mit dieser, ja nur lieb gemeinten Hilfe, umgehen sollst… Und so fühl ich mich halt bei dieser einen Scheiß-Sache… Der Hilfeschrei war nicht schwer, aber die Hilfe jetzt… Ich will einfach nicht! 

HELP 

 

HIDE 

Verstecken 

Man kann es spielen, als unschuldige kleine Kinder, die Spaß haben sich gegenseitig zu suchen, zu diskutieren, wer das beste Versteck hat oder auch um sich gegenseitig mal erschrecken zu können! 

Man kann aber auch viele Dinge verstecken… Als Kind die Tafel Schokolade, die man sich heimlich und unerlaubter Weise gekauft hat von dem einen Euro, der beim Einkauf für Mama noch übrig war und wo dann erstaunlicherweise der Kassenzettel unauffindbar war… Als Teenager dann das erste Kondom oder den ersten Tampon aus dem Sexualkundeunterricht in der Schule, das ja keine peinliche Situation entsteht… Als Erwachsener vielleicht die peinlichen Fotos aus von Jugendsünden geprägten Zeiten… Und am Ende, als Oma oder Opa vielleicht das Testament oder ein wenig Bargeld, man weiß schließlich nie, was auf die alten Tage noch so passieren kann… 

Und ich… vom Werwolf angegriffen… dieses Märchen kann man grad noch den kleinen Kindern auftischen. Alternative? – Verstecken! T-Shirt tabu, Hotpants tabu, Bikini doppeltabu… die Klamottenauswahl immer mit dem Gedanken: “Ist alles versteckt, sieht auch keiner was?” Immer langärmlig, selbst bei 30°C im Schatten ‘ne Jacke und shoppen geht gar nicht… Das also ist das “Versteck spielen” mit dieser einen Scheiß-Sache! 

HIDE 

 

HOPE 

Hoffen…  

…auf jemanden: eine Person, die Eltern, Freunde oder Fremde, die mit einem reden, einen ablenken. Leute, die einen auf andere Gedanken bringen. Einfach Hoffnung, dass jemand da ist, der einen beachtet; der eine ähnlich verwundete Seele wie man selbst hat! 

…dass etwas passiert: irgendetwas soll passieren, dass man aus der Scheiße wieder rauskommt! Eine Hand, die einen aus dem Dreck zieht auch wenn man schon bis zum Hals in eben dieser Scheiße steckt… Ein Ereignis, das einen zum Umdenken bringt… Einfach Hoffnung, dass etwas passiert, was dich in eine andere Richtung lenkt! 

…auf etwas: eben nicht auf eine Person, sondern einen Gegenstand, ein Tier oder irgendetwas sonst… Auf bessere Zeiten zum Beispiel! Dass man sich an diese Hoffnung klammert, dass in Zukunft alles besser wird und dabei die Zeit hier und jetzt mit allem Scheiß vergisst! Oder auf Hilfe hoffen, dass irgendwas oder irgendwer kommt und einem hilft! Aber das mit der Hilfe ist ja auch wieder so eine Sache… 

…dass einfach jemand da ist, der einen mit dieser einen Scheiß-Sache vielleicht versteht! 

HOPE 

 

HURT 

Schmerz… bei dieser einen Scheiß-Sache würden viele sagen: Schmerz ist hier doch klar! Wer sich selber wehtut ist schmerzsüchtig, egal weshalb und wieso! Einfach aufhören und weitermachen ohne den Schmerz… Tja, wenn das so leicht wäre… Aber das mit dem Schmerz ist nicht so leicht… Klar, du willst den Schmerz fühlen! Aber eigentlich schmerzt dich etwas anderes, etwas, das viel tiefer ist und nicht einfach so mit einem Pflaster und etwas Zeit wieder verheilt ist! Etwas, das viel mehr schmerzt, als du dich je schneiden kannst! 

Bei manchen ist es der Schmerz, der entsteht, wenn du sitzen gelassen wirst. Der Schmerz eines gebrochenen Herzens, welches nur mit diesem körperlichen Schmerz wieder zusammengeflickt werden kann… 

Oder der Schmerz, wenn ein Mensch aus deinem Leben gerissen wird! Die Mutter, der Vater, die beste Freundin… Der Schmerz eines Loches im Herzen, das nur mit eben diesem körperlichen Schmerz gestopft werden kann… 

Vielleicht auch der Schmerz von völliger Überlastung! Alle wollen einen, brauchen einen, fordern einen… Der Schmerz eines Herzens, das kurz vor dem Platzen steht und dem nur dieser körperliche Schmerz ein Ventil gibt um Druck abzulassen… 

Oder der Schmerz des Alleinseins! Es sind zwar überall um dich rum Menschen, die du als Freunde bezeichnest, aber die doch nur deine äußere, schützende Hülle sehen. Und eben nicht dein wahres kaputtes und einsames Herz, das verzweifelt einen Freund sucht… Und gerade da ist der körperliche Schmerz der Freund, der verzweifelt gesucht wird und auf den immer verlass ist!  

Aber egal welcher Schmerz dich belastet, diese eine Scheiß-Sache ist wie ein Rettungsanker, der immer da ist um dein kaputtes Herz aufzufangen! 

HURT 

 

HATE, HELP, HIDE, HOPE, HURT – 5 words, 1 fucking thing 

Egal ob abgrundtiefer Selbsthass, ob stummer Hilfeschrei, ob Versteckspielen für kaputte Leute, ob blasser Hoffnungsschimmer oder Pflaster für kaputte Herzen…  

Es geht tiefer als nur unter die Haut!